Der heilige Onuphrius, oder Onuphrius der Große, wurde um 320 geboren und starb gegen 400 n. Chr. Möglicherweise stammt der Name von dem koptischen Wort Unnufer, was „der ewig Gute“ bedeutet. Nachdem er von seinem Vater verstoßen worden war, lebte er einige Zeit in einem Kloster, bevor er sich als Einsiedler in die Wüste zurückzog. Er wird im koptischen, orthodoxen und katholischen Glauben verehrt und ihm sind zahlreiche Kirchen gewidmet. Interessanterweise wird der heilige Onuphrius als Stadtheiliger von München verehrt. Der legendäre Gründer Münchens, Heinrich der Löwe, erwarb im 12. Jahrhundert auf einem Kreuzzug Onuphrius‘ Hirnschale und brachte sie als Reliquie nach München. Die Kapelle, in der sie aufbewahrt wurde, wurde jedoch im 19. Jahrhundert abgerissen, wodurch jede Spur der Reliquie verloren ging.
Diese fesselnde, spätgotische Skulptur des Heiligen Onuphrius zeigt den asketischen Heiligen in typischer Manier als älteren Mann mit langem Haupthaar und wallendem Bart, welche seine jahrelange Hingabe und Einsamkeit unterstreichen. Sein Oberkörper wird von zwei parallelen Haarsträhnen sowie dem Bart beinahe verdeckt. In kontemplativer Haltung stehend, sind seine Augen nachdenklich nach unten gerichtet, was ein tiefes Gefühl der Selbstbeobachtung und spirituellen Konzentration vermittelt. Sein schlanker, gealterter Körper ist nackt und nur an den Lenden mit Rankenwerk und herzförmigen Blättern bedeckt, ein Symbol für seinen Verzicht auf weltliche Besitztümer und sein einsiedlerisches Leben in der Wüste. Die Hände sind erhoben und hielten wohl ursprünglich weitere Attribute wie beispielsweise einen Wanderstock. Sein Kopf ist nachdenklich nach unten geneigt, sein Gesicht zum Betrachter gewandt, wobei die betonten Augenbrauengrate und zusammengezogenen Augenbrauen einen Moment der Konzentration vermitteln. Eine vergleichbare Darstellung aus der Zeit mit Blattwerk als Lendenschurz findet sich in der Kapelle St. Georg in Peißenberg im oberbayerischen Landkreis Weilheim-Schongau, welche dem sogenannten „Meister der Untermenzinger Altarfiguren“ zugeschrieben wird. Diese ist allerdings mit Fellkleid dargestellt, während der Eremitenstatus der hier vorgestellten Figur besonders durch die Nacktheit im Kontrast zum Haupt- und Barthaar betont ist.
Die filigranen Details der Schnitzerei, von den strukturierten Strähnen seines Bartes bis zur naturalistischen Darstellung der Blätter, unterstreichen seine Demut und Hingabe. Diese Darstellung fängt das Wesen des heiligen Onuphrius als eine Figur tiefen Glaubens, der Selbstverleugnung und der Verbundenheit mit der Natur ein und lädt den Betrachter ein, über das Leben des Heiligen zu reflektieren und sich ebenso der Meditation zu widmen.
Literatur:
Johannes Glötzner, Onuphrius. Patron der Stadt München und der Hermaphroditen, München 2008.
Gisela Schinzel-Penth, Sagen und Legenden von München, Frieding 20003, S. 26-28.
Ekkart Sauser, „Onuphrios der Große“, in: Biographisch-Bibliographisches Kirchenlexikon, Band 14, Herzberg 1998, Sp. 1333–1334.