Benedetto da Maiano war einer der Hauptmeister der Bildhauerei der florentinischen Renaissance in der 2. Hälfte des 15. Jahrhunderts. Er lernte das Bildhauerhandwerk von Antonio Rossellino (Settignano 1427 – 1479), welcher selbst unter Donatello studiert hatte und in Giorgio Vasaris Le vite de‘ più eccellenti pittori, scultori, e architettori (1550) aufgenommen wurde. Bald übertraf da Maiano seinen Lehrmeister und fertigte bedeutende Werke in Marmor an. Jedoch gehörte auch Ton zu seinen bevorzugten Materialien.
Dargestellt ist Maria als Halbfigur, die das nackte Christuskind in den Armen hält. Beide blicken hinab zu dem kindlichen Johannes dem Täufer. Vor ihnen liegt ein aufgeschlagenes Buch, wohl die Heilige Schrift. Flankiert wird die Madonnenfigur von zwei Seraphim mit je drei Flügelpaaren, die laut christlicher Überlieferung Gott am nächsten sind. Kompositorisch nahm da Maiano wohl Anleihen an Rossellinos Madonnenrelief mit Engeln von 1455-60 (MET, New York, Inv.-Nr. 14.40.675). Die umherschwirrenden geflügelten Engelsköpfe sowie der Handgestus der rechten Hand des Kindes weisen frappierende Parallelen auf.
Florentiner Bildhauer dieser Generation variierten und verfeinerten das Format des populären Motivs der Madonna. Diese Komposition gilt als bedeutender Teil des Spätwerks von da Maiano. Die schräge Dreiviertelansicht Marias und der sich drehende Körper des Jesuskindes in gelöster Haltung zeigt eine Weiterentwicklung von früheren, noch eher starren Bildnissen. Dies ist auch in einem Marmorrelief von da Maiano ersichtlich (MET, New York, Inv.-Nr. 41.190.137), wo sich das Kind lebendiger im Bildraum bewegt und die plastische Handhabung der Draperie die Darstellung belebterer Oberflächen ermöglicht. Im Relief des MET zieht Jesus am Schleier der Mutter und führt diesen vor ihrer Brust zusammen. Bei dem hier vorgestellten Relief ist der Schleier in ähnlicher Manier zusammengebunden, der Fokus allerdings ein anderer, nämlich auf den Täufer mit Kreuzstab und Kamelhaarfell gerichtet. Das aufgeschlagene Buch könnte auf eine Lehrfunktion hinweisen. Jesus hat den rechten Arm, gestützt von Marias Hand, erhoben und die Finger im Sprech- oder Segnungsgestus zeigend. Ebendiese Segnung empfängt Johannes andächtig und scheint hier die Rolle des Stifters einzunehmen. Dabei baut er eine Blickbeziehung mit Maria auf, die als Fürbitterin fungiert; Jesus selbst blickt zwar schräg nach unten aber doch entrückt in die Ferne. Die flankierenden Engelsköpfe erheben die Darstellung in die göttliche Sphäre.
Kompositorisch eng verwandt sind die Madonnenbildnisse des Kapuzinermuseums in Florenz, des Palazzo del Comune in Pistoia und des Museo Civico in Prato, welche Fassungen desselben um 1490 angefertigten und nun verschollenen Mamorreliefs darstellen. Es ist bekannt, dass die Werkstatt da Maianos diese Komposition mehrfach in Stuck und Terrakotta ausführte. Die Darstellung war äußerst beliebt und findet sich in zahlreichen bedeutenden Museen, beispielsweise im Victoria & Albert Museum in London (Inv.-Nr. 5-1890; Inv.-Nr. V&A: 860-1891) dem Museum of Fine Arts in Budapest (Inv.-Nr. 84.22) und in der Eremitage in St. Petersburg. Das hier vorgestellte Relief besticht allerdings durch die qualitätvolle Ausführung der handmodellierten Oberflächenstrukturen, beispielsweise in der manieristisch wirkenden Draperie von Marias Mantel und in der harmonisch-leuchtenden Polychromie mit feinstem Craquelé, ersichtlich im weichen Inkarnat.
Literatur:
Doris Carl, Benedetto da Maiano. Ein Florentiner Bildhauer an der Schwelle zur Hochrenaissance, Regensburg 2005.
LINKS:
Da Maiano: https://www.metmuseum.org/art/collection/search/198952
Rossellino: https://www.metmuseum.org/art/collection/search/192716?pos=1
Terrakotta-Kopie: https://collections.vam.ac.uk/item/O93895/virgin-and-child-with-the-relief-da-maiano-benedetto/
https://collections.vam.ac.uk/item/O68927/virgin–child-with-the-relief/
Vgl.
,_madonna_col_bambino,_san_giovannino_e_serafini,_1490_ca.,_dal_sacro_cuore_al_romito.jpg){kind=link}
,_interno,_cappella_di_sant'agata,_madonna_col_bambino_e_s._giovannino_(da_benedetto_da_maiano),_cherubino_e_cristo_in_pietà,_1510_ca.jpg){kind=link}